Planetare Grenzen, Donutökonomie, Suffizienz und Kreislaufwirtschaft: Das sind einzelne Begriffe, die in einen Kontext gebracht werden müssen, um sie zu verstehen. Dieser Kontext wurde in der diesjährigen Herbstakademie zum Thema Plurale Ökonomik hergestellt. Dabei wurden die oben genannten Begriffe aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und von unterschiedlichsten Referent*innen in spannenden und informativen Vorträgen eingeordnet.
Oft können Wirtschaftsthemen trocken und ermüdend sein. Dies war aber bei der Herbstakademie der Heinrich Böll Stiftung NRW überhaupt nicht der Fall, was an drei Gründen liegt: Zum einen an der äußerst lebendigen Moderation von Francis Rohr und Silvie Rohr, die die Zeit wie im Flug vergehen ließ. Zum anderen lag es an den kompetenten und motivierten Referent*innen, die, auch wenn sie alle zum gleichen Oberthema referierten, einen verschiedenen Blickwinkel auf das Thema vermittelt haben und so zu einem guten Verständnis bei den Teilnehmer*innen beitragen konnten. Dass diese ersten zwei Punkte zutreffen, zeigt sich an dem dritten Punkt, den an die Vorträge anschließenden regen, ausgiebigen und lehrreichen Diskussionen.
Doch nun einmal chronologisch: Die digitale Akademie begann am Freitagabend (18.10.24) mit einer kurzen Begrüßung der Geschäftsführerin der Heinrich Böll Stiftung, Iris Witt und einer Vorstellungsrunde in Kleingruppen. Danach leitete Francis Rohr zum ersten Referenten über, zu Prof. Dr. Bernd Sommer, der Professor für Umweltsoziologie an der TU Dortmund ist.
Unter dem Titel „By Design or by Desaster“ zeigte Prof. Sommer mit seinem Vortrag Wege für eine zukunftsfähige Gesellschaft auf: Diese Transformation ist das zentrale Thema, denn ein „Weiter so“ sei nach dem Überschreiten von mittlerweile sechs planetaren Grenzen und dem beginnenden Artensterben nicht möglich. Da unsere Gesellschaft der letzten 250 Jahre nicht nachhaltig war, brauche es nun Nachhaltigkeitsstrategien. Dabei betont Prof. Sommer vor allem den Dreiklang aus Suffizienz (Reduktion des Naturverbrauches), Konsistenz (Produktionswandel hin zur Kreislaufführung) und Effizienz (Optimierung). Den zweiten Punkt, den Prof. Sommer hervorhob, ist der „Mind-Behaviour-Gap“. Menschen handeln wider ihrer Einstellungen, da Praxis in subjektivierte und objektivierte Struktur eingebettet ist. Daher müsse die Praxis eine umweltfreundliche Alternative anbieten, wie es z.B. das Fahrradfahren in Kopenhagen ist. Die anschließende Fragerunde umfasste ein weites Themenspektrum von Fragen zu einer postkolonialen Perspektive auf Klimakontexte, zur Aufgabe der Politischen Bildung im Klimakontext und zur Vereinbarkeit Post-Wachstum und kapitalistischer Gesellschaft.
Nach einer Diskussion in Kleingruppen leitete Moderatorin Silvie Rohr zur zweiten Referentin des Abends über, nämlich zu der Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaftlerin Antonia Lena Borsutzky, die unter dem Titel „Rethinking Economics“ neue Perspektiven für die Wirtschaftstransformation aufzeigte. Dabei müsse man sich von den bestehenden und veralteten Grundprinzipien der Ökonomie trennen und eine Wirtschaft forcieren, die in die Gesellschaft integriert ist, die wiederum von der Umwelt umschlossen ist. Die Donutökonomie, die die ökologische Grenze außen und die soziale Grenze innen zieht, muss somit nach außen regenerativ und nach innen distributiv sein. Erreichen könnte man dies durch ein Neulernen der Machtstrukturen, des Wirtschaftswachstum (Förderung von Kooperation und Alternativen) sowie einem Neulernen der eigenen Verantwortung (Etablieren des eigenen Verantwortungsbewusstseins).
Der zweite Tag begann mit einem beeindruckenden Vortrag von Prof. Dr. Silja Graupe zu „reshaping economics“, der bei den Teilnehmer*innen für Begeisterung sorgte. Die Präsidentin der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung kritisierte die geistige Monokultur der Wirtschaft und plädierte heftig für Paradigmenwechsel, weg von der Neoklassik hin zu Verhaltensökonomik, vom Fixismus zum Mobilismus. Auch brauche es einen Wandel zur transformativen Pädagogik, zur Persönlichkeitsentwicklung der Menschen. In einem Satz zusammengefasst geht es Silja Graupe darum, „Menschen als Menschen [zu] behandeln und sich an deren Interessen [zu] orientieren.“
Anschließend referierte der Diplom-Volkswirt Frank Thun über seine Vorstellung eines Weges zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Dabei betont er besonders, dass die Wirtschaft mit Profit das falsche Ziel verfolgt. Die Gesellschaft müsse neue Ziele festlegen, die ihr selbst zugutekommen. Frank Thun stell dafür seinen New Green Deal in sieben Schritten vor, der das Ziel hat, „Unternehmen [so zu] organisieren als ob Leben wichtig wäre“, um somit einen Wandel herbeizuführen.
Der abschließende Vortrag von Dr. Maike Gossen, die an der TU Berlin forscht, war der ideale Abschluss, da der Inhalt der vorangegangenen Vorträge nochmal aufgriff, um das Thema Suffizienz zu vertiefen. Weniger, langsamer, regionaler und gemeinwohlorientierter. Auch, wenn es für Suffizienz-orientierte Unternehmen bereits Beispiele gäbe und auch viele Vorteile für die Unternehmen damit einhergehen, gäbe es immer noch gesellschaftliche Barrieren und Grundsatzprobleme, die die Unternehmen abschrecken würden.
Dass es aber Lösungen für diese Barrieren gibt und dass eine dringend gebrauchte Veränderung möglich ist, haben alle Vorträge aufgezeigt und dass es Menschen gibt, die sich für eine derartige Veränderung einsetzen und sich um diese bemühen hat die rege Beteiligung und das große Interesse der Teilnehmer*innen an den Vorträgen und den anschließenden Diskussionen gezeigt. Plurale Ökonomik ist die Zukunft!